Beteiligte
Regierung
Reformen in der Krise: Als Reaktion auf den Aufstand in Syrien wurden von Assad ab April 2011 weitreichende Reformen angekündigt und einige davon auch durchgeführt. Begleitend dazu wurden immer wieder Amnestien für Oppositionelle angekündigt, so etwa im Mai und im Juni 2011 und im Januar 2012. Bei den Amnestien wurden zwischen dem November 2011 und dem Januar 2012 4000 Menschen freigelassen. Unter den Amnestierten war auch der spätere Rebellenführer Zahran Alloush. Bis zum Mai 2012 wurde die führende Rolle der Baath-Partei aus der Verfassung entfernt, allerdings der Präsident mit mehr Machtbefugnissen ausgestattet. Bei der Wahl zum syrischen Parlament am 7. Mai 2012 bewarben sich Kandidaten von neun verschiedenen Parteien um Abgeordnetenmandate.
Haltung von Präsident Baschar al-Assad: In einem am 11. Mai 2012 von Rossija 24 ausgestrahlten Interview mit Präsident Baschar al-Assad sprach dieser über die weitere Umsetzung der Reformen. Alle während der Krise verabschiedeten Gesetzesartikel sollten unter der Schirmherrschaft der Regierung im Rahmen des in Gang zu setzenden nationalen Dialogs zwischen den verschiedenen politischen Strömungen besprochen werden. Es sei auch möglich, dass es zu einer Diskussion über die syrische Verfassung komme. Als Beteiligte an dem Dialog gab er die verschiedenen Parteien und die politischen Führer in Syrien an.
Auf die Kritik angesprochen, wonach die Reformen zu langsam vorankämen, entgegnete er, dass die neue syrische Verfassung in gerade mal vier Monaten verabschiedet wurde. Die Erwartung, dass in einer so kurzen Zeit alle Gesetze durchgegangen werden, sei nicht realistisch. Normalerweise brauche man für einen derartigen Eingriff zwischen sechs Monaten und einem Jahr. Eine Beruhigung des Konfliktes durch frühere Reformen hält er für ausgeschlossen, „aus dem einfachen Grund, dass die Terroristen sich nicht für Reformen interessieren, sondern nur für den Terrorismus“.
Da viele ausländische Journalisten kurz nach Anfang des Aufstandes ausgewiesen wurden, stützt sich die Berichterstattung über den Aufstand überwiegend auf Aktivisten vor Ort und auf internationale Organisationen. Die syrische Regierung sprach schon seit Beginn der Proteste davon, dass diese von islamistischen Extremisten, ausländischen Verschwörern und Terroristen angezettelt worden seien.
Baschar al-Assad hat der Opposition nach Ausbruch des Bürgerkrieges mehrfach, zuletzt Ende Juli 2013, seine Bereitschaft zu Friedensverhandlungen vermelden lassen, was von der Gegenseite stets abgelehnt wurde. So forderten Oppositionelle wiederholt, dass Assad vor Beginn von Verhandlungen seinen Rücktritt ankündigen müsse, oder dass sie erst verhandeln würden, wenn sie die militärische Oberhand gewonnen hätten. Anfang August 2013 rückte Assad schließlich von seinem Angebot ab und schloss in einer Fernsehansprache aus, dass mit der zerstritten Opposition noch verlässliche Vereinbarungen getroffen werden könnten, stattdessen müsse der Aufstand mit militärischer Gewalt niedergeschlagen werden.
Hisbollah
Die islamistische Organisation Hisbollah trat erst spät in den offenen bewaffneten Kampf an der Seite des Assad-Regimes ein. Die schiitisch dominierte Organisation, die im Libanon ihre Basis hat, war in den vergangenen Jahren immer wieder in Kämpfe mit israelischen Truppen verstrickt und wird in erster Linie vom Iran unterstützt. Sie ist logistisch auf die Hilfe der syrischen Regierung angewiesen. Anführer Hassan Nasrallah meldete sich am 25. Mai 2013 zu Wort und gab bekannt, dass seine Organisation ungeachtet der Opfer bis zum Ende an der Seite der syrischen Regierung kämpfen werde. Er versprach tausenden Kämpfern seiner Organisation den Sieg über das, was er als „Radikal-Sunnitisch-Islamistische-Rebellen“ in Syrien bezeichnete. Diese Extremisten, so Nasrallah, unterstützt von den USA und Israel, würden sich auch gegen den Libanon wenden, sollten sie nicht aufgehalten werden. Die USA verurteilt die Einmischung der libanesischen Hisbollah stark.
Politische Opposition
Zur politischen Opposition Syriens gehören verschiedene Parteien und Bündnisse, die sich an den Wahlen beteiligen. Einige gab es schon vor dem Aufstand, andere sind im Zuge der Proteste entstanden und wurden dann als legale Parteien neu gegründet. Im Vorlauf der Parlamentswahlen der hatten sich bis Anfang April 2012 neun Parteien gegründet, die jedoch von weitgehend unbekannten Personen geführt werden. Das seither im syrischen Parlament vertretene Oppositionsbündnis ist die Volksfront für Wandel und Freiheit. In ihr finden sich viele, die seit Jahren in der Opposition standen und oft auch im Gefängnis waren. Die Volksfront versteht sich als eine Brücke zwischen Regierung und Straße und gilt daher vielen als regierungsnah. Die Beteiligung an gewaltsamen Demonstrationen lehnt sie ab.
Der zurzeit von Georges Sabra geführte Syrische Nationalrat war im Oktober 2011 in Istanbul als Dachorganisation gebildet worden. Als Ziel gibt er an, die syrische Opposition vereinen zu wollen. In seiner Gründungserklärung hatte er sich noch gegen ein militärisches Eingreifen vom Ausland in Syrien ausgesprochen. Später forderte er dann aber eine „Flugverbotszone“ und im November 2011 dann sogar eine an die Türkei angrenzende sogenannte „Schutzzone“ auf syrischem Territorium, für deren Einrichtung jedoch ein internationales Mandat notwendig wäre. Der Nationalrat besteht mehrheitlich aus Mitgliedern, die außerhalb Syriens leben, darunter der in Frankreich lebende Burhan Ghaliun sowie Haitham Maleh. Auch die syrischen Muslimbrüder sind im Nationalrat vertreten.
Die Nationalkoalition für Oppostions-und Revolutionskräfte löste den Syrischen Nationalrat mit ihrer Gründung im November 2012 als Dachorganisation ab, der Nationalrat bildet seither einen Teil der Nationalkoalition, welche jedoch nur zum Teil von der militärischen Opposition in Syrien anerkannt wird, da diese einen islamistischen Staat erzwingen will.
Im Land selbst verankert ist das Nationale Koordinationsstellefür demokratischen Wandel (NCC), das im September 2011 gegründet wurde. Das Koordinationskomitee verfolgt mit dem Syrischen Nationalrat einige gemeinsame Positionen, wirft diesem jedoch vor, von westlichen Staaten beeinflusst zu sein. Es verfolgt einen säkularen Kurs und besteht unter anderem aus linken und kurdischen Gruppen. Vorsitzender ist Hussein Abdel Azim , ein weiteres prominentes Mitglied ist Haitham Manna.
In den Lokalen Koordinationsstelle (LCC) oder in der Generalkommission der Syrischen Revolution sind Aktivisten vertreten, die vor Ort Proteste organisieren. Diese Gruppen sind oft mit dem Nationalrat oder dem Nationalen Koordinationskomitee verbunden.
Im Zuge der Vorbereitungen zur von Russland und den USA organisierten Friedenskonferenz, die für den Juni 2013 angesetzt war, bildeten sich im Wesentlichen zwei Blöcke in der Opposition: Der eine unterstützt den von Katar und einigen westlichen Staaten bevorzugten liberalen Mustafa al-Sabbagh, während der andere von der Muslimbrüderschaft mit der Nationalkoalition dominiert wird. Am 5. Juli wurde Ahmed Dscharba zum Präsidenten der Oppositionsregierung gewählt. Ab Juli 2014 war Hadi el-Bahreh, seit Januar 2015 ist Chaled Chodscha Präsident.
Bewaffnete Opposition
In der zweiten Hälfte des Jahres 2011 begannen sich die Regierungsgegner verstärkt zu bewaffnen und gegen die regulären Streitkräfte zu kämpfen.
Ehemalige Soldaten gründeten die besonders von der sunnitischen Mehrheit Syriens getragene (FSA), die sich als bewaffneter Arm der syrischen Opposition sieht. Die in ihr vereinten Freischärler sind sehr heterogen zusammengesetzt, sodass von Assad bestritten wird, dass es sich überhaupt um eine Armee handelt.Der Syrische Nationalrat und die FSA werden von den Golfstaaten finanziell unterstützt, beide haben ihren Sitz in der Türkei.
Ehemalige Mitglieder der syrischen Armee haben sich in der FSA zusammengeschlossen und führen Angriffe auf Regierungstruppen durch, insbesondere in der Gegend von Homs und Idlib. Ziele sind der Sturz der Regierung und der Schutz der Zivilbevölkerung. Anführer ist der sunnite Riad al-Assad. Beim strategischen Vorgehen der FSA wird versucht, zunächst die Küstenregion vom Landesinneren abzutrennen. Die Linie, an der dies erfolgen solle, verläuft entlang der Städte Quesseir, Homs, Rasan, Hama und Idlib. Dieses „Großlibanon“ solle dann, vergleichbar der Rolle Bengasis im Bürgerkrieg in Libyen (2011), als Aufmarschgebiet für weitere Kämpfe dienen.
Die Gründung von Militärräten, die die Ordnung in Gebieten aufrechterhalten sollten, aus denen die Truppen der Regierung zuvor vertrieben worden waren, wurde von den USA zunächst unterstützt, jedoch zerfielen diese Konstrukte bald und hatten sich Anfang 2013 in zahlreiche Kleinstverbände zersplittert, unter denen nach US-Angaben auch zahlreiche Kriminelle befanden, die die Zivilbevölkerung drangsalierten. Diese Auflösungserscheinungen der FSA verhalfen wiederum religiös motivierten Gruppierungen zu mehr Ansehen auf Seiten der Rebellen, weil sie sich nicht an Plünderungen beteiligten.
Ein Vertreter des World-Food-Programms gab Ende April 2013 bekannt, dass sich die Befehlskette auf Seiten der Rebellen im letzten Jahr deutlich gelockert habe und mit vielen ihrer Verbände nun einzeln verhandelt werden müsse, um Hilfslieferungen durch ihr Gebiet zu transportieren.
Im November 2013 vereinigten sich sieben islamistische Rebellengruppen und bildeten die Islamischen Front zusammen, die mit geschätzten 45.000 Kämpfern das größte bewaffnete Oppositionsbündnis bildet und vermutlich von Saudi Arabien finanziert wird.Analysten sehen in der Gründung, die eine islamische „Theokratie“ in Syrien fordert, eine weitere Abnahme des westlichen Einflusses auf den Konfliktverlauf und gehen von einer Verhärtung der Bürgerkriegsfronten aus.Anfang Dezember nahm eine ihrer Untergruppen, Ahrar al-scham , das Hauptquartier der von den USA unterstützten FSA nahe der türkischen Grenze ein und erbeutete umfangreiche Waffenbestände; die säkulare Opposition gilt seitdem als stark geschwächt und uneins.
Die Zersplitterung der bewaffneten Opposition wird nach einem Bericht der Washington Post von Mitte Juni 2013 weiter vorangetrieben, da private Sponsoren aus der Golfregion begonnen haben, gezielt Milizen im Bürgerkrieg zu unterstützen, die ihren eigenen, meist radikalen religiösen Ansichten am ehesten entsprechen. Diese Entwicklung entziehe sich jeder Kontrolle.
Die US-amerikanische DIA zählte im Juli 2013 etwa 1200 Oppositionsgruppen – von kleinen, lokalen Gemeinschaften, die sich beispielsweise zur Sicherstellung der Wasserversorgung eines Ortes gebildet hätten, bis zur grenzüberschreitend agierenden, extremistischen Terrororganisation.
Mudschaheddin
Der al-Qaida nahestehende Gruppierungen wie die al-Nusra-Front, die sich zeitweilig als zweitgrößte Oppositionsgruppe neben der Freien Syrischen Armee etabliert hatte, traten Anfang 2012 in Erscheinung. Zugeschrieben werden ihr die schweren Bombenanschläge in Aleppo und Damaskus sowie die Einnahme einiger Stützpunkte der syrischen Armee mit dutzenden Toten. Der al-Qaida-Anführer Aiman az-Zawahiri hatte bereits seit Beginn der Proteste gegen Assad im Sommer 2011 versucht, seine Organisation als Teil der Bewegung gegen das syrische Regime zu stilisieren, indem er den Konflikt zur Auseinandersetzung mit den Staaten Israel und den USA verklärte, denen er die Unterstützung der Regierung Assad nachsagte. Einige lokale Oppositionsgruppen sollen – oft ohne deren Wissen – von al-Qaida unterwandert sein. Die Einschätzung bestätigte sich, als die al-Nusra-Front sich mit az-Zawahiri solidarisch erklärte und bekanntgab dessen Ziel, den Aufbau eines Islamischen Regimes in Syrien, zu unterstützen.
Zahlreiche Internetvideos belegen zudem, dass sich – ähnlich wie im Irakkrieg – eine Vielzahl von sunnitischen Gruppen gebildet haben, die jetzt gegen die Regierung vorgehen. Auch einige Libyer kämpfen auf Seiten der Opposition. Im Sommer 2012 mehrten sich die Stimmen westlicher Beobachter, die die Auffassung vertreten, dass sunnitische Islamisten den Großteil der bewaffneten Auseinandersetzungen mit den Regierungstruppen austragen. Es sei daher auch nicht unwahrscheinlich, dass diesen Gruppen nach einem möglich erzwungenen Abgang Assads der beherrschende politische Einfluss zufalle.
Der Zulauf von dschihadistische Kämpfern zu verschiedenen Rebellengruppen hat sich mit Dauer des Konfliktes erheblich verstärkt. Ende Mai 2013 räumte der britische Außenminister William Haque ein, dass Syrien zur „ersten Adresse“ für Dschihadisten aus der ganzen Welt aufgestiegen sei. Im Oktober 2013 schätzte der Bundesverfassungsschutz die Zahl derer aus Deutschland, die sich im syrischen Kriegsgebiet aufhalten oder auf dem Weg dorthin befinden, auf 200 Personen – mit steigender Tendenz. Im Januar 2014 bezifferten Hague und der französische Präsident Francois Hollande die Zahl der dschihadistischen Kämpfer aus ihren Ländern auf „hunderte“ bzw. 700. Gleichzeitig verlautbarte der stellvertretende syrische Außenminister Faisal al-Miqadad, dass westliche Geheimdienste bei syrischen Stellen Interesse an einer Sicherheitskooperation bekundet hätten.
Eine zu Jahresbeginn 2014 veröffentlichte israelische Studie schätzt die Zahl ausländischer Dschihadisten auf 6000–7000, davon 4500 aus der arabischen Welt und 1000 aus Europa, zumeist junge muslimische Einwanderer der zweiten oder dritten Generation. Die meisten haben sich Rebellengruppen der al-Qaida angeschlossen und fühlen sich dem globalen Dschihad verpflichtet. Schätzungsweise 8–10 % sind in dem Konflikt inzwischen umgekommen. Die Geschwindigkeit mit der Kämpfer aus der ganzen Welt für den Dschihad in Syrien mobilisiert werden, übertrifft noch die Rekrutierungsraten im Afghanistan- und Irak Krieg. Die Freiwilligen sickern hauptsächlich über die 900 km lange türkisch-syrische Grenze in das Land, begünstigt durch die Passivität der türkischen Behörden und die Kontrolle der Grenzübergänge durch die Rebellen. Die Rückkehr von radikalisierten und kampferprobten Mudschaheddin in ihre Herkunftsländer wird nach den Erfahrungen von Afghanistan als eine potentielle Bedrohung der internationalen Sicherheit angesehen; insbesondere für Westeuropa wird eine erhöhte Gefährdungslage angenommen. Anders als in früheren Bürgerkriegen greifen nicht nur Sunniten , sondern erstmals auch schiitische Freiwillige in großer Zahl in die Kämpfe ein. Auf Regierungsseite kämpfen geschätzte 7000–8000 ausländische Schiiten, vor allem Soldaten der libanesischen Hisbollah, aber auch irakische Milizionäre, die beide Unterstützung vom Iran erfahren. Das ungefähre quantitative Gleichgewicht zeigt die religiöse Dimension des Konfliktes und seine Verschärfung durch den sunnitisch-schiitischen Gegensatz.
Bis zum Herbst 2013 ist die militärische Hauptlast weitgehend auf islamistische Aufständische übergegangen, die sich auch organisatorisch neu aufstellten. Im September schätzte Janes, dass die 100.000 oppositionellen Kämpfer sich aus 10.000 teils internationalen Dschihadisten der al-Qaida, 30.000 bis 35.000 radikalen syrischen Islamisten und 30.000 „moderaten“ Islamisten rekrutieren. Säkulare und nationalistische Kampfgruppen bilden dagegen nur noch eine Minderheit. Die Gruppierung (ISIS), als Teil von az-Zawahiris Organisation, etablierte sich 2013 nach Einschätzung von Beobachtern als dominante militärische Präsenz im Norden Syriens.
Nach monatelangen Spannungen im Oppositionslager eröffnete im Januar 2014 eine islamistische Rebellenkoalition unter Führung der Islamischen Front die Offensive gegen den al-Qaida-Ableger ISIS, dem eine rücksichtslose Implementierung der Scharia in den von ihm besetzten Gebieten vorgeworfen wird. Bei schweren Kämpfen in Nord- und Ostsyrien kamen fast tausend Bewaffnete auf beiden Seiten ums Leben. Die al-Nusra-Front, die ebenfalls der al-Qaida zugerechnet wird, aber über eine größere Verankerung in der syrischen Bevölkerung verfügt, verhält sich in dem internen Machtkampf bislang weitgehend neutral.
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